Wenn Arbeit zur Sucht wird
Nicht jeder, der viel arbeitet, ist arbeitssüchtig. Zumindest nicht, wenn er in der Freizeit auch einmal faulenzen kann, Hobbys nachgeht oder etwas mit der Familie oder Freunden unternimmt. Fallen diese Freizeitaktivitäten der Arbeit zum Opfer, ist der Betroffene auf dem besten Weg in die Sucht. Arbeitssucht lässt sich nicht über die Anzahl der Arbeitsstunden definieren oder darüber, ob jemand gerne arbeitet. Sie beginnt dort, wo der Betroffene, seine Familie oder Freunde leiden.
Arbeitssucht ist mit anderen Suchtarten zu vergleichen. Allerdings wird nicht wie bei der Alkohol- oder Drogensucht das Suchtmittel von außen zugeführt. Vielmehr bringt der Arbeitende seinen Körper durch den Stress, den er sich selbst erzeugt, dazu Adrenalin auszuschütten. Dieses wirkt wie der Stoff Amphetamin und erzeugt ein körperliches Hochgefühl. Wie bei anderen Suchtarten wird die Dosis dabei ständig erhöht. Zuerst schuftet der Süchtige, damit er sich gut fühlt, dann, damit es ihm nicht schlecht geht. Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit treten oft auch körperliche und seelische Anzeichen auf: Sie reichen von permanentem schlechtem Gewissen, Depressionen und Erschöpfung über Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und hohem Blutdruck bis zu Rückenbeschwerden.
Experten schätzen, dass rund 200.000 Menschen in Deutschland betroffen sind. In Japan gibt es sogar einen Begriff für den Tod durch Überarbeitung: Karoshi. Offiziell sterben dort jährlich 10.000 Menschen an der Arbeitssucht, inoffiziell sind es fünf mal so viele.
Es gibt zwei Sorten von Arbeitssüchtigen: Workaholics, die keine anderen Interessen mehr haben und solche, die ihre Arbeit in die Freizeit integrieren. Sie nehmen sich beispielsweise ihre Arbeit mit in den Urlaub.
Seit fast 18 Jahren gibt es die „Anonymen Arbeitssüchtigen“, die sich nach dem Vorbild der „Anonymen Alkoholiker“ gründeten. Über Deutschland sind rund 20 Gruppen verteilt. Wichtig für ein „normales“ Umgehen mit Arbeit ist das Eingeständnis, dass man arbeitssüchtig ist. Eine völlige Heilung ist kompliziert, denn fast niemand kann in Punkto Arbeit abstinent leben, weil sie für den Lebensunterhalt notwendig ist. Neben den Gruppengesprächen kann aber auch eine Therapie sinnvoll sein.